Das Wasser jener Kokosnuss, die gerade vor meinem Fenster von einer Palme gefischt wurde, richtet mich wieder auf. Mein Magen reagiert und rebelliert heute wieder besonders ungemütlich. Ich bin darob ein bisschen geknickt, weil ich diesmal weiß, was mich so derart in die Knie gehen hat lassen. Merke, Agi, für’s nächste Mal: Nur weil ich mich in einem Land befinde, in dem die Küche traditionell auf Reis basiert, heißt das noch lange nicht, dass der zum Frühstück gereichte Couscous ebenfalls aus Reis ist. Epic fail, Agi! Bitte nicht nochmal! Das Mittagessen lasse ich ausfallen, ich könnte es ohnehin nicht bei mir behalten. Den Nachmittag verbringe ich weird träumend und schließlich wieder bei der Reisschleim-Behandlung, in Ayurveda-Sprech „Njavara Kizhi Thepu“ (haut- und organismusverjüngend sowie kreislauffördernd) genannt.
Elisabeth und ich hatten einen schönen Vormittag. Auf unserem Rundweg nach Edakunnam werden wir kurzerhand von zwei freundlichen jungen Inderinnen, zwei VBS 2016-Volunteers, wie sich später herausstellt, in die kleine St. Thomas-Church eingeladen, in die wir ohnehin einen Blick werfen wollten. Schon von weitem hört man einen Kinderchor musizieren. Sobald wir die Kapelle betreten, gibt es Applaus und Jubelschreie. Mir läuft es dabei kalt über den Rücken. Ich glaube, so sehr hat sich noch nie jemand über meine Anwesenheit gefreut. Was wir nun erleben, werde ich mein Lebtag nicht vergessen. Die jungen, sehr engagierten Lehrer bieten uns Sitzplätze ganz vorne an und lassen ihre unterschiedlichen Schülergruppen im Alter von 3 bis 14 vor uns ihre (teilweise in Englisch) einstudierten Lieder zum Besten geben. Sie tanzen und singen voller Freude und Enthusiasmus. Weil diese gospelartigen Melodien ja schnell ins Ohr gehen, singe ich bei den nächsten Refrains schon mit. Der junge Lehrer merkt schnell, dass wir Spaß an dem Gebotenen haben und bindet uns gekonnt in sein Programm ein. In der nächsten Sekunde drückt er mir sein Mikrophon in die Hand und bittet mich mit den Kindern, die alle wieder auf ihre Sitzbänke zurückgekehrt sind, gemeinsam nochmals die Refrains zu wiederholen. Also los geht’s: „Everybody sing, Jesus is the King, I want to say: You’re my Hero!“ – bei der zweiten Wiederholung singen die Schüler alle lauthals mit. Ansteckend wirkt das alles. Zum Schluss wollen sie noch wissen, wie wir heißen, woher wir kommen, wie uns Kerala gefällt und was wir zum Frühstück gegessen haben. Wird natürlich alles wahrheitsgemäß beantwortet.
Nur durch Zufall sind wir da heute reingerutscht, genau genommen in die jährliche „Facelook“-Veranstaltung. „Looking into the face of Jesus“ lautet ihr Claim und soll die Kinder und Jugendlichen spielerisch und musikalisch in den christlichen Glauben einführen. Alle Schüler haben einen professionellen Facelook-Besucher-Badge umgehängt und wirken damit schon heute wie die supererfolgreichen IT-Fuzzis von morgen. Die Veranstalter machen’s aber tatsächlich gut, schon lange nicht mehr hat mir ein „Kirchenbesuch“ so viel Spaß bereitet. Am Rückweg im Tuk Tuk fragt mich Elisabeth, ob ich gläubig sei. „Gläubig wohl schon, aber ich gehe nicht in die Kirche. Überhaupt interessiert mich das Katholikentum kaum bis gar nicht. Wieso fragst du?“, will ich wissen. „Weil Du so leidenschaftlich und textsicher mitgesungen hast!“ Tja, man muss mich einfach nur mitreißen 🙂