Entleert

Kurz vor 7 Uhr morgens servieren mir Dr. Sheela und Anju, eine meiner Therapeutinnen, meine Cleaning-Medizin, sprich eine schlammig-ölig ausehende und nach Erde schmeckende Flüssigkeit, die ich mit großem Unbehagen und schnellstmöglich runter würge. Wenigstens schmeckt diese Medizin, die mich auf den heutigen Reinigungstag vorbereitet, nicht so bitter wie die, die ich sonst verabreicht kriege.

Eine Stunde später geht’s bereits los. Ich verlasse mein Zimmer heute nur ungern, habe mich daher schon gestern mit genügend Lesestoff eingedeckt, nehme auch meine – wenig ansprechenden, weil faden – Mahlzeiten auf meinem kleinen Balkon ein – immer darauf bedacht, das stille Örtchen jederzeit und alsbald erreichen zu können. Reisschleim mit einem Schälchen Bohnen. So sehen die Menüs aus, die man mir heute kredenzt. Nach jedem Klogang fühle ich mich leerer – kurkundige Leser denken sich nun: Eh ganz normal! Das ist ja auch der Sinn eines Cleaning Days! -, aber die Leere bezieht sich nicht nur auf meinen Darminhalt, sondern wirkt sich auch auf mein gesamtes Allgemeinbefinden aus. Es spürt sich an, als wäre in meinem Körper heute niemand zu Hause. Leerstand also.

Obwohl ich nicht müde bin, nicke ich untertags immer wieder ein. Der Ventilator direkt über mir läuft ruhig, nur vereinzelte Stromausfälle bringen ihn aus dem Gleichgewicht – ein Aussetzen ist dieser Tage unerträglich. Die Temperaturen sind nur schwer zu verkraften, wohl auch ein Grund dafür, dass das Resort derzeit mit nur wenigen Gästen besetzt ist. Aktuell sind wir zu fünft: Elisabeth, eine Germanistin aus Toulouse, kam vorgestern, Caroline, ebenfalls aus Frankreich, aber mit Wohnort Den Haag, heute. Zurück zu meinen Döse-Phasen: Sobald ich meine Augen schließe, ziehen fettige Cheese-Burger, bis oben hin gefüllte Cafe Latte-Becher, scharfes Chili con Carne und Fertig-Salami-Pizzen wie am Sushi-Laufband an mir vorüber. Also nur Mist, und eigentlich alles, was (Dhanvawanthari, der Ayurveda-)Gott verboten hat. Wirklichen Heißhunger habe ich allerdings nicht, denn der Reisschleim nimmt mir mein Hungergefühl gänzlich.

Am Nachmittag ist der Spuk zum Großteil vorbei. Ich setze wieder einen Fuß vor die Türe. Gottseidank hat es auch ein bisschen abgekühlt. Als ein ein heftiges Gewitter ankündigender Windstoß direkt in die Palme neben mir fährt und eine Kokosnuss zu Boden kracht, will ich kurzerhand wieder umkehren. Der Blick auf den über hundert Jahre alten, riesigen Bodhi-/(Buddha-)Baum, der direkt vor dem Eingangsportal des Palaces steht, lässt mich aber umdisponieren. Dort zieht es mich hin, dort fühl ich mich wohl. Genau dort, unter dem Baum, dem eine heilende Wirkung nachgesagt wird, werde ich auf die ersten Regentropfen warten, mich von ihm beruhigen lassen, den Streifenhörnchen beim Springen und den Baby-Salamandern beim Klettern zuschauen. Über mir schaukelt und tönt ein Windspiel.

Und mit einem Mal ist auch die Leere wieder vergessen.

6 Kommentare


  1. hello agi,

    bei uns hat es schon wieder abgekühlt, der frühling legt eine pause ein.

    letzten freitag war ich bei dir. es ist alles ok. coco hat mich auch gleich besucht ;-), hat dich gesucht.

    bu
    nina

    Antworten

  2. Hihi :-D, die Coco-katze – immer vorn dabei!

    Super, dass du da warst – geht’s meinen Blümchen auch gut? Heut war ich bei einem Schneider – mal sehen, ob das was wird mit meinen neuen Vorhängen!?

    Bussi, Agi

    Antworten

  3. Hi Agi,
    immer wenn ich sowas lese, wo sich jemand gegen seinen Willen zu was plagt, frage ich mich ernsthaft, ob das wirklich so gut und so gesund ist, wie es gemeint ist! Das Leben sollte doch eigentlich Spaß machen!?
    Nichtsdestotrotz, deine Beschreibungen sind wie immer sehr realistisch und ehrlich!!!
    LG, Günter

    Antworten

    1. Hi Günter,
      du hast schon recht, wenns darum geht, etwas gegen seinen Willen zu tun. In meinem Fall habe ich die Situation allerdings ein bisschen überzeichnet dargestellt. Ich bin ja freiwillig hier, konkret, weil ich dran glaube. Ich vertraue auf die Kraft des Ayurveda, von dem ich – auch schon aus eigener Erfahrung weiß -, dass man körperlich als auch seelisch nicht nur Höhen erlebt, sondern auch mal tiefere Täler durchschreitet. Wie auch immer, der gestrige Tag gehört zu einer mehrwöchigen Kur dazu – heute schaut die Welt schon wieder anders aus: http://www.agnesschildorfer.com/?p=3424
      🙂
      LG Agnes

      Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert