(Santa Irene; 25.6.07 – Nachtrag)
Als ich heute Morgen meine Siebenmeilenstiefel geschnuert habe, wusste ich noch nicht, dass es sich dabei tatsaechlich um solche handelt. Die heutige Etappe war mit Abstand eine der LAENGSTEN, fuer die wir paradoxerweise am wenigsten Zeit gebraucht haben. In den ersten zwei Stunden habe ich ordentlich Tempo gemacht, denn es ist irgendwie das passiert, was ich mir im Rahmen des Jakobsweges immer „erhofft“ hatte: Meine aufgestauten Aggressionen haben sich gemeldet und haben mich angetrieben. Ich wollte meine Aggressionen weg gehen, wollte, dass sie weg gehen, also hab ich mir von meinem Mitpilger Christian (Allgaeu) den MP3-Player ausgeborgt und bin mit Tocotronic, The Strokes und Smashing Pumpkins im Ohr los marschiert. Geschafft habe ich in dieser kurzen Zeit eine beachtliche Distanz von 10 Km! Als mich jene unzaehligen Pilger, die ich alle ohne Zurueckzuschauen, ueberholt habe (vorher ist mir das noch nie gelungen…), bei meiner ersten Pause wieder gesehen haben, hat einer bewundernd bemerkt: „Na, Sie haben aber einen strammen Schritt drauf!“. Ja wenn der wuesste, welche Gedanken mich zu dieser Hochleistung motiviert haben… Egal, ich habe gesungen, geheult, geflucht, Blumen ihre Koepfe abgehackt, und bin den Menschen, die mir ueber den Weg gelaufen sind, aus demselben gegangen. Erste Anfluege von Wut und „Menschenscheu“/Gefuehl des Allein-sein-Wollens erreichten mich bereits vor einigen Tagen in Burgos, als ich aus dem Bus gestiegen bin. Es war Punkt 14 Uhr und das Glockenspiel einer Iglesia mit der „Freude schoener Goetterfunken“-Melodie animierte mich laut mitzusingen…allerdings in der Textierung von Kurt Sowinetz: „Olle Menschen san ma z’wider, i mecht’s in die Goschn haun!“…
Egal, wollte ich am Vormittag noch alles mit mir selbst ausmachen und allein sein, sind und waren am Nachmittag meine Aggresionen WEGGEGANGEN und so tauchte ich wieder in den Pilgerstrom ein. Wieder ist mir Miriam, eine kanadische Lehrerin, begegnet, mit der ich vor einigen Tagen auch viele gemeinsam Kilometer gemacht habe. Sie ist bereits seit 7 Monaten in Europa und Afrika unterwegs. Thanx God (and Edith…*huestelhuestel*) war unsere Unterhaltung (auf Englisch) meiner Meinung nach sehr angeregt und begeistert. Jedenfalls hats mir Spasz gemacht. Was die Konversation mit Anderssprachigen betrifft, konnte ich leider nicht ganz so gut mithalten und so beschraenkte sich mein Franzoesisch auf den erlernten Standard-Satz: „Je ne comprends pas!“…
Mit den Einheimischen zu plaudern ist wiederum ein leichtes: Mit Haenden und Fueszen kommt man zu dem was man will/braucht. Als Peregrina wird man auch immer wieder angesprochen. Immer wieder habe ich den franzoesischen Standard-Satz auch auf Spanisch gesagt, was die Spanier aber kaltbluetig ignoriert haben – wenn sie mit dir reden wollen, dann reden sie. Ob mans versteht oder nicht! In einem der vielen Eukalyptuswaelder auf den letzten Etappen vor dem Ziel ist mir ein Spanier begegnet, der mich auf die „beste Tarta de Santiago“ (Mandeltorte) wo gibt hingewiesen hat. Es hat sich herausgestellt, dass derjenige offenbar von der Wirtin als Werbemann engagiert worden ist, denn tatsaechlich sind alle nachkommenden Pilger dort eingekehrt, um die Tarta zu kosten. Auch Miriam hat die Info von ihm bekommen und hat sich eine schmecken lassen. Da faellt mir ein: Sie hat mir erzaehlt, dass ihr Sohn im Zuge seiner einjaehrigen Weltreise seine Freundin vor der atemberaubenden Caldera-Kulisse in Santorin heiraten wird. So schlieszt sich der Kreis, denn wenn ich an Santorin denke, faellt mir gleich meine Schulzeit und unsere Maturareise ebendorthin ein. Schade, dass ich beim Absolvententreff in der Bernoulli nicht dabei sein konnte. War sicher witzig.
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